In Elisabeths Nachlass findet sich der nachfolgende Brief ihrer Mutter ohne Kuvert. Die Anschriften sind demzufolge reproduziert.
(Kurt war im August in Dresden verstorben.)
Adresse: Frau Elisabeth Menzel Berlin Charlottenburg 9 Preußenallee 91a II b.Freimuth
Absender: Frau Gertrud Quilitzsch Bad Kösen Bachstr. 3
Bad Kösen 23.11.1958
Meine liebe Elisabeth!
Heute ist der 23.Nov., genau
heute vor 45 Jahren, es war
auch der Totensonntag, begeg-
neten wir uns, Vati und ich
zum erstenmal. Gerade in
dieser Stunde zwischen 5 und
6 Uhr, hieß es damals noch.
Leipzig war eine alte schöne
bedeutende Großstadt mit
vollem Getriebe und jeder
war stolz darin zu wohnen.
Es fing leise und ganz fein
an zu schneien, als ich mit
einer Freundin vom Markt
durch die Peterstraße bummel-
te, Schaufenster ansehend. Da
stand Vati hinter uns bei
Polich, als wir weitergin-
gen und dann die Grim-
maische war er wieder
hinter uns und sagte, er
habe sich mit einem Freund
am Markt um 4 treffen
wollen und der sei nicht
gekommen, ob er uns zu
einer Tasse Kaffee einla-
den dürfte. Wir sahen uns
an, ich und die Freundin,
und willigten dann ein.
Wir gingen zum „Caffee
Bauer“ am Königsplatz,
das war sehr schön, unten
und echter Stark, mit Musik.
Ich
wußte noch nicht um wen
es nun ging, denn Vati
war zu uns beiden gleich-
mäßig freundlich und sehr ver-
gnügt. Ich war im Sommer
mit Graf von Mandelslohs
in Osterwitt bei Schmentau
in Westpreußen Kreis Marien-
werder gewesen. Da sah ich
noch braun und knusprig
aus, wie Vati sagte. Als wir
uns um 10 Uhr trennen woll-
ten bat er um meine Adres-
se. Ich zeigte ihm meine Abo-
nementskarte, auf der stand
Erzieherin, Frl Gertrud Quilitzsch
Nebenkarte zur Hauptkarte
der Gräfin Marie von Man-
delsloh, Gohlis, Pölitzstr. 19II
Am
25. Dienstag früh, bekam
ich vom Vati schon die erste
Karte. Es war echte „Liebe auf
den ersten Blick“ von beiden
Seiten. Dann folgte eine schö-
ne Zeit. Wir sahen uns zu
jeder freien Stunde und oft
wartete Vati in der Stall-
baumstr. dort wo Sperlings
wohnten, an die zu der Zeit
noch nicht zu denken war,
auf mich, weil er von dort
aus mein Schlafzimmerfenster
sah. Erst die Mobilmachung im
August 1914 trennte uns. Vati
schickte mir beim Ausmarsch
vom Kasernenhof der 181.
einen schönen Brief mit ei-
nem großen Kleeblatt, das
er dort gefunden hat.
Diesen Brief habe ich noch, wo-
rin er ein schönes Wiedersehen
erhofft, das uns auch beschie-
den war, und woher die
Ruhlaer Uhren kommen.
In Ruhla haben wir uns ver-
lobt, sein Bruder Erich war
dabei. Beide in Leutnants-
uniformen bildhübsch.
Erich mußte dann ins Feld
und Vati blieb in Friedrich-
roda in einem Sanatorium
weil er draußen eine Rippen-
fellentzündung bekommen
hatte. Es folgten sehr schöne
Jahre für uns, überall wo
ich war, war er auch. Erst
als er nach Berlin kam
wurde alles anders. Zu
hohe Stellung war an allem
schuld.